Sternenstaub (Autor: Adam Roberts)
 
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Sternenstaub von Adam Roberts

Rezension von Mark Heywinkel

 

Ein guter Roman greift ein aktuelles Diskussionsthema auf und stellt dem Leser eine mögliche Position zu diesem Thema vor, anhand derer sich der Leser anschließend eine eigene Meinung bilden kann. Ein guter Roman regt zu öffentlichem Diskurs an, er bietet möglichst aktuellen und kritischen Gesprächsstoff. „Sternenstaub“ ist so ein Buch und daher wird vermutlich der Autor Adam Roberts nicht nur in der Gegenwart als einer der besten Sci-Fi-Autoren gehandelt, sondern diesen Titel auch in der Zukunft behalten dürfen. Er hätte es sich redlich verdient. „Sternenstaub“ setzt neue Maßstäbe!

 

Wir befinden uns in einer fernen Zukunft. Die Menschheit hat sich in unserer gesamten Galaxis ausgebreitet. Es gibt keinen unerforschten Raum mehr. Der Traum, irgendwann auf außerirdisch intelligentes Leben zu stoßen, ist ausgeträumt. Die Menschen sind allein in dieser Galaxie.

 

Natürlich sind die Jahrtausende seit Erfindung der Raumfahrt nicht spurlos an der Menschheit vorübergezogen. Man hat sich weiterentwickelt: Raumschiffe gibt es keine mehr oder nur sehr wenige, denn es hat sich als nachteilig erwiesen, mit ihnen zu reisen. Da man mit großen Objekten keine Geschwindigkeiten oberhalb der des Lichts zurücklegen kann, reisen die Menschen einzeln, in schützenden, intelligenten Schaum gehüllt, der den Weg zum angepeilten Reiseziel mit Überlichtgeschwindigkeit findet. Doch jeder weiß, dass selbst mit Lichtgeschwindigkeit eine Reise viele Jahre dauern würde. Das Problem der Zeit wurde also auch gelöst: Der Mensch hat längst eine Möglichkeit gefunden, sein Leben zu verlängern und diese langen Zeitdistanzen so gut wie unwichtig zu machen.

 

Wie gelang es dem Menschen, sein Leben zu verlängern? Stichwort „dotTech“: Der Mensch schuf auf den Grundlagen der Nanotechnologie die dotTech, kleine Sonden, die im Blut des Menschen dafür sorgen, ihn bis zu tausend Jahre lang leben zu lassen und Krankheiten, Verletzungen oder sogar Ängste einfach ausschalten zu können. Menschen sind beinah unsterblich geworden. Glieder können einfach nachwachsen, selbst Genickbrüche führen nicht mehr zum Tod.

 

Gleichzeitig hat sich die Gesellschaft dahingehend entwickelt, all ihren Trieben nachzugeben und sie auszuleben. Die Genüsse des Lebens werden in vollen Zügen ausgekostet: Sex an jedem Ort und zu jeder Zeit; Reisen durch die Galaxie; Schlafen und essen, ohne dafür bezahlen zu müssen; die Menschen haben sich ein Utopia geschaffen, wie wir heute davon träumen!

 

Da die dotTech den menschlichen Körper kontrolliert und nur das Beste aus ihm herausholt, gibt es keine Verbrecher mehr. Und wenn, dann sind sie ein großer Ausnahmefall. Ae, Protagonist von „Sternenstaub“, ist einer dieser seltenen Fälle. Als einer der wenigen Mörder der Galaxis wird er in einem speziell für ihn angelegten Knaststern festgehalten. Dort ist er dazu verdammt, ohne jede Spur von dotTech in seinem Blut, bis zu seinem natürlichen Tod die Tage in Einsamkeit zu fristen. Eines Tages wird Ae jedoch von einem Unbekannten kontaktiert, der ihm den Auftrag erteilt, die Zivilisation eines gesamten Planeten auszulöschen; im Gegenzug soll ihm die Freiheit geschenkt werden. Ae willigt sofort ein und mithilfe seines Auftraggebers gelingt es ihm, tatsächlich vom Knaststern aus der Isolation zu fliehen.

 

Warum und wie Ae die Zivilisation eines Planeten ausradieren soll, weiß er nicht. Doch er ist drauf und dran, es herauszufinden. So beginnt eine Reise durch die Galaxie, auf der er nicht umhin kommt, sich den Freuden des Lebens hinzugeben; auf der anderen Seite versucht Ae herauszufinden, wer sein unbekannter Auftraggeber ist und zu welchem Zweck er eine Zivilisation ermordet wissen will. Bald vermutet Ae hinter den ganzen Geschehnissen eine große Verschwörung ...

 

Heute debattieren die Wissenschaftler darüber, ob wir nicht die Forschung in bestimmten Gebieten einschränken oder ganz unterlassen sollten. Der Zukunftsforscher Billy Joy warnt beispielsweise davor, Gentechnologie, Robotik und Nanotechnologie uneingeschränkt zu erforschen. Auf der einen Seite könnten diese Technologien dem Menschen ein angenehmeres Leben bescheren, auf der anderen auch seinen Untergang bedeuten. Radikalere Personen wie der s.g. „Maschinenstürmer“ sind davon überzeugt, dass die Menschheit sich mit dieser Forschung ihr eigenes Grab schaufelt. Er verübte in den letzten Jahren eine handvoll Anschläge auf führende Wissenschaftler auf diesem Gebiet. Man sieht, wie heikel dieser gesamte Themenkomplex ist.

 

Adam Roberts sucht sich nun dieses sehr umstrittene Thema als Grundlage für seinen Roman „Sternenstaub“ (Originaltitel: „Stone“). Er orientiert sich an den Fragen „Wie wird sich die Menschheit in der Zukunft entwickeln?“ und „Wie wird die Technologie, die wir heute erforschen, den Menschen verändern?“

 

In „Sternenstaub“ wird eine sehr positive Vorstellung von der Zukunft beschrieben: Der Mensch ist so gut wie unsterblich, es gibt keine gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Probleme mehr; das Leben der Zukunft scheint perfekt zu sein! Die Nanotechnologie hat die Menschheit zum Guten verändert. Sie hat all unsere Probleme gelöst. - Ohne zu viel des Inhalts vorwegnehmen zu wollen: Am Ende wir diese positive Utopie bröckeln ... Adam Roberts zeigt deutlich, dass das Gute mit dem Schlechten einher geht und spiegelt damit die heutige Diskussion rund um dieses Thema wider.

 

Der Roman ist spannend und sehr anschaulich geschrieben. Sehr plastisch stellt Adam Roberts seine Zukunftsversion vor, in der die Menschen ihren Gelüsten freien Lauf lassen und ein unbeschwertes Leben führen. Wider jeder heute üblichen Vorstellung von Science-Ficiton, gibt es in „Sternenstaub“ weder große Raumschiffe, die mit Überlichtgeschwindigkeit fliegen können, noch gewaltige, interstellare Schlachten. Viel mehr Wert legt dieser Roman auf der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und Ethik.

 

Auch der Protagonist von „Sternenstaub“ entspricht überhaupt nicht den üblichen Vorstellungen. Ae ist androgyn; als Frau geboren, fühlt er (oder sie) sich eher als Mann, hat auch lange Zeit als solcher gelebt, was die Nanotechnologie möglich machte. Da Ae ein Mörder ist, fällt es dem Leser schwer, ihn sympathisch zu finden; hassen kann man den Protagonisten jedoch ebenso wenig.

 

Fazit:

Das Buch setzt neue Maßstäbe, da es sich nicht an die Regeln der modernen Science-Fiction hält. Adam Roberts löst sich von der Vorstellung der interstellaren Raumfahrt und der alles erforschenden Menschheit, die in den Tiefen des Raums auf außerirdisches Leben stößt. Keine Spur davon! Eine chaotische, vielschichtige Spaßgesellschaft streift durchs All, um das Leben in vollen Zügen und ohne Hemmungen zu genießen. Und mit Bezug auf heutige Problematiken in Sachen Forschung lässt Roberts die „Science“ in dieser Fiction ebenfalls nicht zu kurz kommen.

 

Meiner Meinung nach ist die positive Kritik, die das Buch bislang bekommen hat, wirklich berechtigt. Anfangs eher skeptisch, machte es mir immer mehr Spaß, Ae auf seiner Reise durch die Galaxis zu begleiten. Die Satte Portion Spannung des Romans hat nicht zuletzt dafür gesorgt, dass ich mir schließlich sogar ein paar Nächte für dieses Buch um die Ohren geschlagen habe.

 

Absolut lesenswert!

 

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Ältere Kommentare:

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024051012365015ec1f72
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Sternenstaub

Original: Stone, 2002

Autor: Adam Roberts

Taschenbuch, 173 Seiten

Heyne, Januar 2006

Übersetzerin: Ursula Kiausch

 

ISBN-10: 3453530721

ISBN-13: 978-3453530720

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 23.01.2006, zuletzt aktualisiert: 18.02.2024 09:28, 1798