Der ganze Wahnsinn (Autor: Terry Pratchett)
 
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Der ganze Wahnsinn von Terry Pratchett

Rezension von Ingo Gatzer

 

Rezension:

"Ein neuer Scheibenweltroman?", fragt sich der geneigte Fan von Terry Pratchett, des unangefochtenen Königs der komischen Fantasy, möglicherweise hoffnungsvoll, wenn er des Buches "Der ganze Wahnsinn" des britischen Autors ansichtig wird. Zuerst die schlechte Nachricht. "Der Ganze Wahnsinn" ist weder ein Scheibenweltroman, noch neu. Jetzt aber die gute. Das Buch enthält - als Neuauflage der 2007 erschienen gebundenen Ausgabe - diverse Erzählungen, Artikel und Beiträge von Terry Pratchett darunter einige echte Raritäten.

 

Am meisten überzeugen können insgesamt die Kurzgeschichten, die im Scheibenweltuniversum spielen. In diesem Zusammenhang ist besonders die vergnügliche Erzählung "Das Meer und kleine Fische", die Einige möglicherweise schon aus der gleichnamigen Anthologie kennen, zu nennen. Hier erfährt der Leser, was alles passieren kann, wenn man Oma Wetterwachs nahe legt, nicht am nächsten Hexen-Wettberwerb teilzunehmen und wie irritierend es für Leute sein kann, wenn die Alte plötzlich nett ist. Hier spielt Terry Pratchett souverän mit dem Image seiner grummeligen Hexe und lotet auf komische Weise ihren Charakter aus, so dass das Ganze für alle Scheibenweltfreunde zu einem großen Spaß wird. Lesenswert ist aber auf jeden Fall auch die Story "Troll dich", in welcher der bekannte Held Cohen auf einen Troll trifft. Doch die Ereignisse entwickeln sich anders als man vermuten könnte. Hier bedient sich der berühmteste Hutträger der Fantasy, wie häufig in seinem Werk, stereotypischer Muster des Genres und konterkariert sie genüsslich. Aber natürlich ist nicht alles, was Terry Pratchett über die Scheibenwelt geschrieben hat, herausragend. Besonders der Text "Medizinische Anmerkungen", einige Seiten, die der Autor für das Programmbuch der Discworld Convention 2002 verfasst hat, wirkt gezwungen und ist nicht wirklich amüsant. Zur Ehrenrettung des Schriftstellers muss aber gesagt werden, dass die überzeugenden Scheibenwelttexte deutlich überwiegen.

 

Die Erzählungen, die sich nicht um Terry Pratchetts berühmteste Schöpfung drehen - sie wissen schon, flach wie eine Pizza, allerdings ohne Anchovis, und getragen von vier gigantischen Elefanten, die auf dem Rücken einer riesigen Schildkröte stehen - verdienen größtenteils das Prädikat "Gut, aber nicht überragend". Ein positiver Ausreißer ist die Geschichte "Letzter Lohn", die bereits unter dem Titel "Die letzte Belohnung" erschienen ist. Hier zeigt Terry Pratchett überaus launig, dass ein Autor vorsichtig damit sein sollte, seinen Helden sterben zu lassen. Vor allem wenn es sich bei diesen um einen Barbarenkrieger handelt, der nach seinem literarischen Ableben kurzerhand an der Tür des Schriftstellers klingelt, um das versprochenen Paradies für sich zu reklamieren. Idee und Umsetzung sind witzig und hätten ruhig umfangreicher gestaltet werden dürfen. Absolut bemerkenswert ist die Story "Die Hades-Angelegenheit". Denn hierbei handelt es sich um jenes berühmte Werk, das Terry Pratchett als erstes, im Alter von zarten dreizehn Jahren verkaufte. Sie handelt von den Verwicklungen, die sich ereignen, als der Teufel auf die Idee kommt, die Hölle zu einem attraktiveren Ort für Besucher zu machen. Terry Pratchett selbst bezeichnet seinen Erstling als "kindisch". Aber auch wenn "Die Hades-Angelegenheit" nicht perfekt ist, so ist sie doch komisch und für einen Dreizehnjährigen geradezu überragend geschrieben. Der Autor zeigt sich hier im besten Wortsinne frühreif und macht bereits Witze über Dante Alighieris "Göttliche Komödie". Einige - zum Glück wenige - Ausreißer gibt es aber auch nach unten. So ist die Erzählung "Hollywood-Hühner", die von einer wilden Hühnerpopulation in der Nähe eines Autobahnkreuzes bei Hollywood handelt, schlichtweg langweilig.

 

Die dritte Gruppe von Texten, die in "Der Ganze Wahnsinn" enthalten sind, umfasst diverse nicht-fiktionale Thematiken. Dabei steht der Autor und sein Handwerk im Vordergrund. Hier kann der interessierte Fan einige nette Details und spannende Anekdoten - etwa über Terry Pratchetts Vorliebe für Kopfbedeckungen in "Ein Wort über Hüte" - erfahren. Auch diese Artikel sind ansprechend geschrieben und enthalten sowohl Witziges als auch Tiefgründiges. etwa wenn der Autor beschreibt, dass er eine Zeit lang das Bild eines Schredders, mit dem eine Buchhandelskette Bücher die sich nicht verkauften, zu Konfetti verarbeitet hat, als "Memento Mori" auf seinen Schreibtisch platziert hat.

 

Ein Wermutstropfen stellt die Tatsache dar, dass die Leser der deutschen Taschenbuchausgabe auf die in der älteren Hardcoverausgabe vorhandenen Illustrationen - bis auf das Titelbild - verzichten müssen. Da tröstet es wenig, dass es am Ende des Buches ein Illustrationsverzeichnis gibt, bei dessen Lektüre man erahnen kann, welche Bilder des tollen Künstlers Josh Kirby man hier zu sehen bekommen hätte.

 

Fazit:

 

"Der ganze Wahnsinn" ist für alle Fans von Terry Pratchett, die noch nicht die meisten der vielen gelungenen Texte besitzen absolut empfehlenswert. Und zwar nicht, weil sich nur der zum Gefolge des Meisters zählen darf, der sich in Terry Pratchetts Universum auskennt, wie auf dem Buchrücken steht; sondern weil die meisten Texte schlicht gut geschrieben und überaus amüsant zu lesen sind.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404292343513d98b54e
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Taschenbuch

Der ganze Wahnsinn

Autor: Terry Pratchett

Piper - Taschenbuch -343 Seiten

Erscheinungsdatum: Juni 2010

Cover: Josh Kirby

 

ISBN-10: 3492267440

ISBN-13: 978-3492267441

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 20.10.2010, zuletzt aktualisiert: 28.04.2024 13:01, 11101