Rezension von Björn Backes

„Papa, was machst du eigentlich den ganzen Tag über?“ Früher oder später wird sich wohl jeder Vater dieser Frage einmal ausgesetzt fühlen, sei es nun aus Unverständnis darüber, dass beim langen Arbeitstag kaum Zeit für die Kleinen abfällt, einfach aus Interesse heraus oder doch eben, weil die Vorstellung und Ahnung besteht, der gute Herr Papa würde in seinem Job einer sehr spannende Sache nachgehen?

Katharina Grossmann-Hensel, mittlerweile sehr beliebte Bilder- und Kinderbuch-Autorin hat sich ebenfalls mit dieser Frage beschäftigt und sie in einem sehr sympathischen, offensiven Kleinkindbuch neu aufgegriffen. In ihrer Fassung erzählt der Vater nämlich eigeninitiativ, was er den ganzen Tag treibt – und er hat einiges zu erzählen. So berichtet er von seinem Alltag als Pirat, der die Vorstellungen des Bürojobs, mit denen sein Sohnemann sich herumschlägt, natürlich völlig über den Haufen schmeißt. Aber natürlich will der Erzähler nicht klein beigeben und stellt sein fiktives Leben mit einem Facettenreichtum dar, dem selbst das leicht befangene Kind nicht widerstehen kann. Mit allerhand irrsinnigen Verstrickungen berichtet er also von seinem Alltag auf Hoher See, von Bekanntschaften, Abenteuern und Erlebnissen der ganz besonderen Art. Doch je stärker sein kleiner Zuhörer zweifelt, desto erfinderischer wird der Mann schließlich und führt seinen Sohn doch noch auf die falsche Fährte – schließlich soll der ja auch den Glauben bewahren, dass sein Vater eine ganz besondere Persönlichkeit ist.

Grossmann-Hensel präsentiert mit „Mein Papa ist Pirat“ einem wahrlich fantastisches Kinderbuch mit zahlreichen netten Ideen und einem Charme, der sich sehr schön mit dem Seemannsgarn eines Käpt’n Blaubär vergleichen lässt, hier aber noch einmal ein Stück geistreicher erzählt wird. Die Interaktion zwischen den beiden Hauptdarstellern ist prächtig, da sich beide Seiten äußerst erfinderisch zeigen und Seite für Seite immer noch neue Details oben draufsetzen können. Auf jede Frage folgt prompt eine noch phantasievollere Antwort. Und selbst wenn man glaubt, dass selbst die verwegenste Räuberpistole nicht mehr getoppt werden kann, schafft es der Erzähler dennoch, den kreativen Fundus weiter auszuweiten.

Ergo sollte das kleinere Publikum an den Lippen des Vorlesers kleben, wenn sie nicht gerade von den feinen Illustrationen in ihren Bann gezogen werden. Denn auch die Verbindung von ansprechenden Skizzen und gewitzten Texten ist in „Mein Papa ist Pirat“ vollends gelungen!

Natürlich hat das Buch aber auch einen pädagogischen Aspekt und regt über das Ende der Geschichte hinaus natürlich an, eigene Erfahrungen auszutauschen. Das Buch schließt dementsprechend auch mit dem verheißungsvollen Satz ‚Ist dein Papa auch den ganzen Tag im Büro?’, also mit einer gekonnten Anspielung auf den fiktiven Transfer des möglicherweise langweiligen Arbeitsalltags auf die abenteuerlichen Erwartungen seiner Zöglinge. Da kommt man natürlich nicht umhin, etwas ausgeschmückter vom eigenen Berufsleben zu erzählen. Möglicherweise ist man nebenbei ja auch Seeräuber, Astronaut oder Superheld… der Kreativität sind diesbezüglich sicher keine Grenzen gesetzt, was die Intention der Geschichte natürlich noch einmal wertvoller macht!

Fazit:

„Mein Papa ist Pirat“ ist ein absolut fantastisches, phantasievoll gestaltetes und optisch absolut reizvolles Kinderbuch, welches auch über den eigentlichen Inhalt hinaus zu heiteren Erzählungen anregt. Wer Hein Blöd und Konsorten ebenso liebt wie phantasievolles Seemannsgarn, kommt hier voll auf seine Kosten!