Der fliegende Alptraum: Frauenjäger Robert C. Hansen
 
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Der fliegende Alptraum: Frauenjäger Robert C. Hansen

Artikel von Karin Reddemann

 

The flying nightmare – Der fliegende Alptraum: Keine billige B-Blut-Film-Schauermär, sondern echter eiskalter Horror, inszeniert von einem bestialisch kranken Killer. Robert Christian Hansen war ein US-amerikanischer Serienmörder aus Alaska, auf dessen Konto mindestens siebzehn furchtbare Frauenschicksale gehen.

 

Der passionierte Jäger brachte seine Opfer mit seinem kleinen Privatflugzeug zu einer einsam gelegenen Hütte und scheuchte sie nach qualvoller sexueller Tortur nackt in die Wildnis. Er gab ihnen stets einen kleinen Vorsprung, dann nahm er die Verfolgung auf, stellte und tötete die Frauen. Seine voller Panik und Entsetzen fliehende Beute hatte keine Chance, sei denn, der nach außen hin so normal angepasst und konservativ wirkende Familienvater und Ehemann aus Anchorage, Chef einer gut gehenden Bäckerei, sah seine perversen Gelüste zu absoluter Zufriedenheit erfüllt. Dann verschonte er ihr Leben und brachte sie in die Stadt zurück, freilich nicht ohne massiven Druck auszuüben. Er drohte mit schrecklichen Konsequenzen, würde kein Stillschweigen über das Geschehene bewahrt.

Ungeheuer mit Biedermann-Haarschnitt

Und die Frauen, die er gezielt in schäbigen Bars, billigen Tanzlokalen und am Straßenrand angesprochen hatte, – alle aus dem Prostituierten- und Stripperinnenmilieu –, sagten aus Angst vor ihm und wohl auch aus Zweifeln an der Justiz und den vorherrschenden Vorurteilen ihnen gegenüber nichts. Kein Wort über das Ungeheuer mit akkuratem Biedermann-Haarschnitt im gebügelten weißen Hemd, dessen Aknenarben im Gesicht wohl noch das optisch Auffälligste an ihm waren.

 

Robert C. Hansen war vierunddreißig, als er zu morden begann. 1973, in dem Jahr, als man in Amerika das World Trade Center eröffnete und der Blick von ganz dort oben grenzenlose Freiheit versprach, wurde Hansen zum »Flying Nightmare«, wie die Presse ihn später in ihren Schlagzeilen nannte.

 

Bis dahin hatte er die für psychopathische Gewaltverbrecher fast klassisch unglückliche Kindheit und Jugend mit Hänseleien in der Schule, – er stotterte, war stark verpickelt, introvertiert und ohne Freunde –, und im Elternhaus, – Ablehnung, Strenge, väterliche Dominanz –, durchlebt, ging schon früh allein auf die Jagd, heiratete ein Mädchen aus dem Ort, diente als Scharfschütze bei der Armee und wurde von seiner Frau nach kurzer Ehe wieder verlassen, weil er Teile seiner alten High School abgefackelt hatte und für drei Jahre ins Gefängnis kam. Aus Wut, aus Rache. Aus einer Sinnlosigkeit heraus, die ihm nichtsdestotrotz Genugtuung verschaffte. Wie auch immer.

 

Seine Ex-Frau sagte später, mit dieser finsteren Seite an ihrem Mann hätte sie nie gerechnet, deshalb die Scheidung vom Brandstifter. Das war lange, bevor der Dämon in Hansen richtig wach wurde. Und lange, bevor er wegen mehrfachen Mordes zu lebenslanger Haft plus 461 Jahren verurteilt wurde.

 

Robert C. Hansen, der als Serienkiller mit den meisten nachgewiesenen Mordopfern in der Kriminalgeschichte Alaskas gilt, heirate kurz nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis ein zweites Mal und zog 1967 mit seiner zweiten Ehefrau und den beiden gemeinsamen Kindern nach Anchorage. Wegen der Vergewaltigung einer Prostituierten kam Hansen erneut hinter Gitter, freilich nur kurz. Lausige sechs Monate waren es, weil es »nur« eine der Frauen aus dem verruchten Viertel Tenderloin in Anchorage gewesen war. Starke Stimmungsschwankungen wurden damals bei ihm diagnostiziert, der Arzt verschrieb ihm Lithium. Das war’s.

 

Ansonsten blieb Hansen nach außen hin kein sonderlich nennenswerter Mann. Seine eigene kleine Bäckerei und das Privatflugzeug, das er sich gönnte, hatte er sich mit einer recht hohen, freilich ergaunerten Versicherungssumme leisten können. Er bemühte sich natürlich, als sogenannter ordentlicher Bürger einer wild-lebendigen Stadt betrachtet zu werden, in der das Gesetz in den 1970ern Mühe hatte, vernünftig Schritt mit dem Recht zu halten.

 

Serienkiller: »Prototyp des Langweilers«

Auf den Jäger Hansen, einen wohl ausgezeichneten Schützen und Rekordhalter im Erlegen von Tieren, den eins seiner Opfer, die davongekommen waren, als »Prototyp des Langweilers« beschrieb, kam so rasch niemand: Als Anfang der 1980er drei nackte Frauenleichen in den Wäldern nahe des Knik-Flusses entdeckt wurden, wies kein einziger Verdacht auf ihn. Die getöteten Frauen, erschossen mit einer Jagdwaffe, – die Stripperin Joanna Messina, die Oben-ohne-Tänzerin Sherry Morrow und eine teils von Bären gefressene, nicht identifizierbare Tote, die man Eklutna-Anni nach dem Fundort (Eklutna-Road) nannte –, gaben konkreten Anlass zu der Annahme, es mit dem Werk eines Serienkillers zu tun zu haben. Aber Hansens eine »kleine« Verurteilung wegen Vergewaltigung fiel bei den Ermittlern nicht ins Gewicht. Fataler Fehler. Hansen fühlte sich sicher. Und die Wildnis bot viel Platz zum Verstecken.

 

Das änderte sich, als am 13. Juni 1983 ein Fernfahrer eine Frau auflas, die mit Handschellen gefesselt eine Straße entlang rannte, offensichtlich voller Angst vor ihrem (noch!) unsichtbaren Jäger. Der Trucker brachte sie zur Polizei, der sie erzählte, ein Freier habe sie an einen Pfahl im Keller seines Hauses gebunden und sie auf brutalste Art vergewaltigt. Anschließend habe er ihr gesagt, er würde sie mögen, deshalb würden sie jetzt gemeinsam zum Knik-River fliegen und nochmals Sex haben. Am Flughafen konnte die Frau, eine 17jährige Prostituierte aus Tenderloin, entkommen. Exakt beschrieb sie Hansens Haus, Hansens Flugzeug, eine Piper Super Cup, Hansen selbst … trotzdem kam es vorerst weder zu einer Verhaftung noch Anklage. Hansen bestritt alles, legte ein Geschäftsessen Alibi vor, das fälschlich bestätigt wurde, und behauptete, die junge Frau wolle ihn nur erpressen.

 

Es verging ein Jahr, bis eine weitere Tote gefunden wurde: Paula Goulding, eine arbeitslose Sekretärin, die in einer Oben-ohne-Bar jobbte, vermisst seit April 1983, erschossen mit einer Ruger Mini. Hansen, der Jäger, besaß so eine. Jetzt befassten sich die Alaska State Troopers näher mit ihm, ein FBI-Profiler gab den direkten Weg zu Hansen frei. In dessen Haus fand man die Waffe, Patronenhülsen. Schmuck, Papiere der Opfer nebst einer Flurkarte, auf der die »Gräber« eingezeichnet waren.

 

Entführt, gequält, gejagt, ermordet

Hansen, der zunächst alles abstritt, gestand nach einem Deal mit der Justiz, – umfangreiche Aussage gegen lebenslang plus 461 Jahre im Bundesgefängnis für nur vier Morde, keine Todesstrafe, keine Aussicht auf Begnadigung –, über siebzehn Frauen im Alter von siebzehn bis einundvierzig Jahren umgebracht zu haben, die er in seinem Flugzeug entführte, missbrauchte, quälte, in den Wald jagte und ermordete. Wegen spezieller sexueller Praktiken, die er seiner eigenen Frau nicht habe zumuten wollen, hätte er im Milieu seine späteren Opfer gesucht, so Hansens Erklärung: Waren die nicht willig, brav und gut in seinem Sinn, hätte er sie eben bestraft.

Das Leben von Robert C. Hansen endete dreißig Jahre nach seiner Verurteilung nicht im Hochsicherheitstrakt vom Spring Creek Correctional Center in Seward, Alaska, den er nie wieder hätte verlassen sollen. Der mittlerweile 75-Jährige musste aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes ins Krankenhaus in Anchorage gebracht werden. Dort starb er am 21. August 2014. Ein Jahr zuvor kam seine Geschichte in die Kinos: Frozen Ground, Regie Scott Walker, John Cussack als Hansen, Nicholas Cage als Fahnder Halcombe. Der sagt:

 

»Er schleicht sich an, jagt seine nächste Jagdbeute, er vergewaltigt sie und tötet sie. Möglicherweise tut er es gerade jetzt; wir haben keine paar Tage. Ich will den Haftbefehl, jetzt!«

 

Beim wahren Killer hat dieses Jetzt zu lange gedauert. So schaurig, so bedauerlich. Aber nicht selten. Dafür immer entsetzlich. So ist das.

 

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Erstellt: 20.07.2023, zuletzt aktualisiert: 08.10.2023 11:19, 22042