Ausgekocht (Autorin: Eva Rossmann)
 
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Ausgekocht von Eva Rossmann

Rezension von Oliver Kotowski

 

Die vierzigjährige Mira Valensky hat eine Sinnkrise. Eigentlich ist sie Lifestyle-Journalistin, aber daran ist ihr die Lust vergangen. Sie überlegt, ob sie in der Kanzlei ihres Freundes Oskar arbeiten könnte – und will, da sie Abhängigkeit nicht schätzt. Oder könnte sie vielleicht doch irgendwie im Gastronomie-Ressort ihres Magazins unterkommen, auch wenn dort eine Verwandte des Verlegers herumstümpert? Wie soll es nun weitergehen? Erst einmal mit Oskar zum Essen in den Apfelbaum zum Star-Koch Manninger. Überraschend kommt zu Tage, dass die eher unbekannte, aber exzellente Sibylle – Billy – Winter das Lokal übernommen hat. Man kommt über das Essen ins Gespräch und ist sich sympathisch. Billy erzählt von einem Streich: Jemand hatte die Leitungen der Kühlmaschine gekappt. Tags darauf erfährt Mira vom Kollegen Droch, dass der Apfelbaum gerade von der Agentur erwähnt wurde: Bei den Vorspeisen wurden Zucker und Salz vertauscht – eigentlich ein Anfängerfehler. Das Interesse der Hobbydetektivin Mira ist geweckt. Als wenig später der Koch Dvorak verschwindet, wird nicht lange gezögert. Die Hobbyköchin springt ein, kann den Profis bei der Arbeit zusehen, Billy aushelfen und den rätselhaften Streichen auf den Grund gehen. Das ist auch gut so, denn der Täter wird zunehmend gewalttätiger und ist noch lange nicht am Ende…

 

In den letzten Jahren ist das Setting des Krimis in den Vordergrund gerückt: Historische Krimis und Regionale Krimis erfreuen sich großer Beliebtheit und die Milieu-Studien a la Mankell und Co. werden von den Kritikern gefeiert. Ausgekocht reiht sich hier gewissermaßen ein, doch mit einem spleenigen Dreh – es geht um die Szene der Wiener Starköche. So geht es um Wien und dessen Umland; dieses wird allerdings nicht wie beim Regionalen Krimi zelebriert, sondern steht dezent als glaubwürdige Kulisse im Hintergrund. Küchen und Kochen werden dafür umso mehr Raum gewährt. Die professionelle Küche ist eine Männerdomäne. "Frauen taugen nicht zum Profi-Koch," glauben viele; es fehle an Standvermögen und Durchsetzungskraft. Die Szene ist rau und selten herzlich. Klar, man klüngelt in der Szenekneipe Rosa Flieder, doch hinter dem Rücken der Konkurrenz wird kräftig hergezogen. Gerade Kollegen, die gegen die strikte Hierarchie sind oder sonst etwas Neues ausprobieren wollen, haben es schwer. Frauen wie Billy sowieso. Aber es geht nicht nur um zwischenmenschliche Beziehungen und Machtverhältnisse, sondern auch um das Handwerk – Rossmann gewährt dem Leser einen soliden Einblick in die Hektik und Konzentriertheit der Küche mit all ihren Klingen und Kanten. Soweit ich die Inhalte beurteilen kann, hat die Autorin sauber recherchiert; so gibt es z. B. das erwähnte Hamburger Lokal Academia tatsächlich.

 

Es gibt eine ganze Reihe von Figuren, die zwar alle zur Exzentrik neigen, aber erfrischend modern und kompliziert sind. Hauptfigur ist die Journalistin Mira Valensky. Die ledige Hobbyköchin ist seit einiger Zeit mit dem Anwalt Oskar zusammen. Früher hätte er ihr nicht einfach beim Umziehen zugesehen; es hat sich eine gewisse Routine eingestellt. Er muss wegen eines großen Prozesses nach Frankfurt und Mira vermisst ihn. Der gutaussehende Koch ist viel zu jung für sie. Und dennoch… Dann plagt die Vierzigjährige eine Sinnkrise und die Aushilfsarbeit und der Fall – unter dem ihre neue Freundin Billy schwer zu Leiden hat – hebt ihre Stimmung sehr. Angetrieben von einer gewissen Neugierde und Loyalität zu ihren Freunden versucht sie ihre Aufgaben mit Fleiß und Zuverlässigkeit zu erledigen, auch wenn es ihr nicht immer gelingt. Die anderen Figuren sind um Mira herum gruppiert, je weniger sie mit ihnen zu schaffen hat, desto schwächer werden sie charakterisiert. Da ist der zynische Politik-Journalist Droch, der seit Vietnam im Rollstuhl sitzt und die abenteuerlustige bosnische Putzfrau Vesna, die eine gute Freundin von Mira ist und gerne bei den Fällen hilft. Dann ist da das Personal des Apfelbaum: die zähe und energische Wirtin Billy, bisher allein erziehende Mutter, doch ihr Ex will das Sorgerecht; der loyale Onkel Franz, der noch mit weit über siebzig kellnert, weil es seine Lebensaufgabe ist; dazu der tschechische Koch Josef Dvorak und die türkische Aushilfskraft Mahmet. Der Lehrling, die Praktikantin und die Abwaschfrau bleiben leider völlig gestaltlos, sie erhalten nicht einmal einen Namen. Es scheint mir unplausibel, dass Mira wochenlang mit ihnen zusammenarbeitet und keinerlei Verhältnis zu ihnen entwickelt. Hier hätte ich mir etwas mehr Detailreichtum gewünscht. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche Figuren der Polizei, des Medienwesens und aus der Star-Koch Szene.

 

Einen klassischen Whodunit sollte man auch in Bezug auf die Handlung nicht erwarten: Miträtseln lässt sich nicht. Sehr viel Handlung bezieht sich auf Alltäglichkeiten der Küche, aber DANN gibt es bisweilen einen echten Sucker-Punch, der den Fall drastisch in Erinnerung ruft. Aufgrund der Ermittlungsmethoden erinnert der Roman an den frühen Ausprägungen des hard-boiled Krimis, denn einerseits ereignet sich viel Geschehen ohne Miras Zutun und sie weiß häufig nicht mehr als ihre Konkurrenz. Andererseits wenn sie selbst Spuren nachgeht, dann nutzt sie für gewöhnlich ihre zahlreichen Kontakte, die z. T. auf frühere Fälle anspielen. Die Krimi-Handlung kommt zunächst nur sehr langsam in Fahrt. In den ersten zwei Drittel stehen das Setting und der Küchenalltag, bzw. Miras Alltag deutlich im Vordergrund und der Fall plätschert so dahin. Auch wenn es die erwähnten überraschenden Wendungen gibt, wird es für jemanden, der sich für die Profi-Küche nicht interessiert, doch eine harte Tortur werden. Erst im letzten Drittel wendet sich die Autorin massiv dem Fall zu und erhöht damit das Tempo beachtlich.

 

Was dem Leser an Rossmanns Stil als erstes ins Auge fällt, sind die sehr knappen, fast im Telegramm-Stil gehaltenen Sätze. Anfangs ist das etwas ungewohnt, aber dieses Gefühl vergeht bald und ebenso schnell tritt das Bewusstsein zu lesen in den Hintergrund – man ist in der Geschichte gefangen. Gerade zu den vielen hektischen Szenen passt der knappe Stil sehr gut. Wer bei einem Krimi im Wiener Milieu nun einen stark von entsprechender Mundart geprägten Stil erhofft oder befürchtet, wird überrascht werden. Zwar fließen immer mal wieder passende Begriffe und Sprachwendungen ein, doch nur sanft und üblicherweise in den direkten Reden der Figuren. Die selbstironische und sarkastische Sicht der Ich-Erzählerin Mira lässt den Humor zudem nicht zu kurz kommen, ohne dass Sitcom oder gar parodistische Elemente die Geschichte dominieren würden – es bleibt ein ernsthafter Krimi, wenn auch mit einer leicht humorvollen Note.

 

Der ideale Leser ist eine moderne Frau über Dreißig mit großem Interesse an der Welt der Profiköche und steht einem modernen Krimi in Wien und Umgebung aufgeschlossen gegenüber. Doch solange der Freund moderner Krimis nicht vom Kochen gelangweilt wird, kann er hier einen kurzweiligen Fall genießen.

 

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Ausgekocht

Autor: Eva Rossmann

Taschenbuchausgabe – 302 Seiten – Bastei Lübbe

Erscheinungsdatum: Februar 2006

ISBN-10: 3-404-15447-9

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 05.07.2006, zuletzt aktualisiert: 21.12.2023 16:34, 2506