Chain of Gold (Autorin: Cassandra Clare; Die letzten Stunden 1)
 
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Chain of Gold von Cassandra Clare

Reihe: Die letzten Stunden Band 1

 

Rezension von Matthias Hofmann

 

Die Amerikanerin Judith Lewis, die unter dem Pseudonym Cassandra Clare schreibt, hat seit ihrem Debüt im Jahr 2007 mit dem Roman City of Bones die stolze Anzahl von 13 Romanen veröffentlicht. Also im Schnitt ein Buch pro Jahr.

 

Inhaltlich spielen alle irgendwie im gleichen Universum, was für die Fans ihrer Romane einen wesentlichen Reiz ausmacht. Und diese Anhängerinnen und Anhänger, vor allem aber Anhängerinnen, gibt es in zunehmend großer Zahl. Cassandra Clares Chroniken der Unterwelt und Chroniken der Schattenjäger stürmten weltweit die Bestsellerlisten. Davor schrieb sie Fan Fiction, die sie vornehmlich auf den Welten von Harry Potter und Herr der Ringe basierte.

 

Cassandra Clares imaginärer Kosmos, das sogenannte Schattenjäger-Universum, ist so komplex, dass ihr Fandom eine eigene Wiki geschaffen hat, um Interessenten den Einstieg zu erleichtern. Man braucht das nicht, um ihre Romane zu verstehen … falls man mit dem allerersten Buch aus dem Jahr 2007 anfängt. Tut man das nicht, kann der Einstieg für Neulinge etwas herausfordernd sein.

 

Als erfahrener Leser habe ich dennoch alle imaginären Warnungen in den Wind geschlagen. Auch der enorme Umfang von exakt 700 Seiten hat mich nicht eingeschüchtert. Und so habe ich frohgemut mit der Lektüre von Chain of Gold, dem ersten Band der neuen Trilogie Die letzten Stunden begonnen, obwohl ich davor kein einziges Schattenjäger-Buch gelesen hatte. Ich wollte einfach mal wissen, was genau hinter dem Cassandra-Clare-Hype steckt.

 

Sehr schnell wurde mir klar, dass es doch keine so gute Entscheidung war. Ohne eine gehörige Portion an Vorwissen, muss man sich regelrecht in den Roman hineinkämpfen. Es werden fast staccatoartig eine Menge an Charakteren eingeführt, die z. T. untereinander verwandt und verschwägert sind und allesamt schon irgendwelche Vorgeschichten haben. Cassandra Clare widmet sich mit großer Hingabe und Ausführlichkeit der Beschreibung dieser Personenschar sowie deren Gedanken und Gefühle, dass letztlich auf den rund siebenhundert Seiten nicht allzu viel passiert ist, wenn man das Buch nach beendeter Lektüre zuklappt und versucht, die Handlung zu rekapitulieren.

 

Jedoch, das Setting weiß zu gefallen. Das gute alte, mystifizierte London. Das 19. Jahrhundert endet und das 20. Jahrhundert beginnt. Wir befinden uns am Ende des sogenannten Viktorianischen Zeitalters, wie man es gespiegelt findet in der Literatur von Charles Dickens oder den Geschwistern Brontë, aber auch den Werken Oscar Wildes und Robert Louis Stevensons. Rätselhafte Gestalten wie Jack the Ripper haben da schon im Londoner East End ihr Unwesen getrieben. Und alles, was man heutzutage so dem Subgenre Steampunk zuordnet, von der Kleidung bis hin zu den Dampfmaschinen, ist hauptsächlich dieser Zeit des wirtschaftlichen Aufbruchs Großbritanniens entlehnt.

 

Das zentrale Quartett im umfangreichen Figurenensemble von Cassandra Clare besteht aus den jungen Erwachsenen James Herondale, Matthew Fairchild (der Parabatai von James, eine Art, per Tätowierung ausgewiesener, Jägerbruder) und den Brüdern Christopher und Thomas Lightwood. Allesamt sind sie eng befreundet und Schattenjäger. Ihren exklusiven Club nennen sie die »Tollkühnen Gesellen«.

 

Zu den wichtigsten weiblichen Hauptpersonen zählt Cordelia Carstairs, die sich in James Herondale mehr oder weniger kompliziert verliebt. Zu Beginn des Romans zieht Cordelia mit ihrer Familie nach London, wo sie auf ein komplexes Beziehungsgeflecht stößt, bei dem auch ambivalente Figuren nicht fehlen, wie z. B. Grace Blackthorne und ihre fiese, böse Tante Tatiana. Cordelias Bruder Alistair agiert zeitweilig höchst zwiespältig, aber wenigstens ist Cordelias Weg vorgezeichnet, denn sie soll heiraten. Sie selbst will aber lieber als Schattenjägerin Dämonen jagen.

 

Schattenjäger sind eine besondere Spezies, die aus einer Verbindung von Menschen mit Engelsblut entstanden sind. Sie existieren in Form einer Art Parallelgesellschaft mit eigenen Gepflogenheiten in einer Schattenwelt. Die Bestimmung der Schattenjäger ist es, zum einen den Frieden in ihrer Schattenwelt zu bewahren und zum anderen deren Bewohner und die Menschheit an sich zu beschützen. Unfrieden kommt von Dämonen, die es in mannigfaltiger Art, Größe und Aussehen gibt.

 

Die Ausgangslage ist, dass diese Dämonen nun Angriffe auf die Schattenjäger starten, und zwar am helllichten Tag, was sie bislang nicht gemacht haben. Warum das so ist, ist eines der großen Rätsel des Romans, aber natürlich werden auch andere Fragen erörtert. Wie feierte man im alten London ausgedehnte Tanzbälle und Partys? Wer ist in wen verliebt? Und wer darf wen heiraten? Und ähnliches.

 

Actionszenen sind unterm Strich rar, wobei die Dämonenangriffe, so sie in der Handlung vorkommen, für meinen Geschmack meist viel zu leicht abgewendet werden. Die bösen Viecher tauchen unvermittelt auf und verpuffen nach einer Niederlage meist wie eine Rauchwolke im Kamin.

 

Der Schreibstil von Cassandra Clare ist routiniert, hat eine leicht betörend blumige Schönheit und hebt sich dadurch positiv vom Young-Adult-Fantasy-Einerlei ab. Auch weisen die Reminiszenzen an (und Zitate von) Dickens, Keats, Tennyson, Shelley & Co. die Autorin als Virtuosin des viktorianischen Settings aus.

 

Insgesamt ist der Roman jedoch eher etwas für die schon Bekehrten. Denn wer das Schattenjäger-Universum schon kennt, wird sich im bestickten Lesesessel zurücklehnen, gemütlich räkeln und stundenlang abtauchen in diese akribisch entworfene Kunstwelt.

 

Wer aber zum ersten Mal damit in Berührung kommt, wird sich nach einem Personenregister mit Stammbaum sehnen und ansonsten seine Mühe mit der Einordnung der Flut an Charakteren haben. Hinzu kommt, dass die Handlung über weite Strecken eher grenzwertig zäh dahinplätschert. Dadurch können die 700 Seiten während des Lesens zu gefühlt Tausend oder mehr werden.

 

Als Bonus gibt es übrigens noch eine Kurzgeschichte mit dem Titel Ein Londoner Märchen, die man so schnell gelesen hat, wie man sie auch wieder vergisst. Ein nettes Extra für Fans der Autorin ist es trotzdem.

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Buch:

Chain of Gold

Reihe: Die letzten Stunden Band 1

Original: Chain of Gold (The Last Hours 1), 2020

Autorin: Cassandra Clare

Übersetzung: Franca Fritz und Heinrich Koop

Titelillustration: Cassandra Jean

gebundene Ausgabe, 700 Seiten

Goldmann, 24. August 2020

 

ISBN-10: 3442314542

ISBN-13: 978-3442314546

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B08595B5ZG

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 11.10.2020, zuletzt aktualisiert: 19.04.2024 08:43, 19070