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taverne:kurzgeschichten:das_glück_saramees

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 ====== Das Glück Saramees ====== ====== Das Glück Saramees ======
 +{{:taverne:kurzgeschichten:yolanta.jpg?300 |}}
 //erschienen in der Anthologie [[taverne:anthologien:das_glück_saramees|Das Glück Saramees]]//\\ //erschienen in der Anthologie [[taverne:anthologien:das_glück_saramees|Das Glück Saramees]]//\\
 Autor: [[taverne:autoren:stephan_r._bellem|Stephan R. Bellem]] Autor: [[taverne:autoren:stephan_r._bellem|Stephan R. Bellem]]
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 +sowie in der eBook-Reihe [[taverne:ebooks:das_glück_saramees|Geschichten aus Saramee Band 09: Das Glück Saramees]]\\
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 +===== Inhalt =====
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 +Mel versprach seinem Vater auf dem Totenbett, in Saramee sein Glück zu finden. Doch dort findet er etwas ganz anderes …
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 +===== Protagonisten =====
 +   * [[personen:singletons:rejan|Rejan]]
 +   * [[personen:nebenfiguren:mel|Mel]]
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 +===== Marktplatz =====
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 +==== Buch ====
 +{{amazon>de:3941258176}}
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 +==== eBook ====
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 +===== Das Glück Saramees =====
  
 »**I**n [[schauplätze:stadt_saramee:hintergrund|Saramee]] kann jeder sein Glück finden«, pflegte mein Vater stets zu sagen. Lange Zeit habe ich ihm nicht geglaubt, bis ich die Stadt mit meinen eigenen Augen sah ... »**I**n [[schauplätze:stadt_saramee:hintergrund|Saramee]] kann jeder sein Glück finden«, pflegte mein Vater stets zu sagen. Lange Zeit habe ich ihm nicht geglaubt, bis ich die Stadt mit meinen eigenen Augen sah ...
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 Kapitän [[personen:singletons:Rejan]] erwies sich als tüchtiger Mann. Immer wieder hörte ich die Schauergeschichten von Piraten, die Schiffe versenkten und Besatzung sowie Passagiere über die Planke schickten. Doch Rejan schienen die Götter hold zu sein. Oder kein Pirat dieser Welt war verrückt genug im Herzen eines Sturms nach Beute zu suchen ... Kapitän [[personen:singletons:Rejan]] erwies sich als tüchtiger Mann. Immer wieder hörte ich die Schauergeschichten von Piraten, die Schiffe versenkten und Besatzung sowie Passagiere über die Planke schickten. Doch Rejan schienen die Götter hold zu sein. Oder kein Pirat dieser Welt war verrückt genug im Herzen eines Sturms nach Beute zu suchen ...
  
-»Dies ist das wahre Leben, Junge!«, lachte er. »Du hast Dein Schicksal selbst in der Hand. Nur Du und die See!«+»Dies ist das wahre Leben, Junge!«, lachte er. »Hier hast du dein Schicksal selbst in der Hand. Nur Du und die See!«
  
 »Ich versuche mein Glück lieber mit festem Boden unter den Füßen«, erwiderte ich. »Ich versuche mein Glück lieber mit festem Boden unter den Füßen«, erwiderte ich.
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 Ich folgte der Richtung seines Armes und kniff die Augen zusammen. Saramee. Endlich. Ich folgte der Richtung seines Armes und kniff die Augen zusammen. Saramee. Endlich.
  
-»Jeder macht sein Glück in Saramee«, hörte ich wiedermal die Worte meines Vaters.+»Jeder macht sein Glück in Saramee, Mel!«, hörte ich wiedermal die Worte meines Vaters.
  
 Schon die Einfahrt in Saramees gewaltigen Hafen raubte mir den Atem. Kriegsschiffe, die an breiten Stegen vertäut waren, Handelsschiffe, die gehetzt be- und entladen wurden, während ihre Kapitäne um die besten Preise feilschten und kleine Fischerboote, die nach einem langen Arbeitstag gemächlich auf die Anleger zupaddelten. Hinter den Hafengebäuden reckten sich die Türme und Herrenhäuser Saramees in den Himmel, buhlten um die Gunst des Sonnenlichts, das sich auf ihren – mal mehr, mal weniger – aufwändigen Verzierungen spiegelte. Der Hafenlärm übertönte noch alle anderen Geräusche der Stadt, Arbeiter schienen um die Wette zu brüllen und ihre Rufe wurden ebenso laut beantwortet. Masten knarrten bei jeder Bewegung der trägen Schiffe und Fahnen flatterten müde im schwachen Wind. Die Luft roch bereits weniger salzig und vermischte sich mit den Gerüchen der Stadt. Schon die Einfahrt in Saramees gewaltigen Hafen raubte mir den Atem. Kriegsschiffe, die an breiten Stegen vertäut waren, Handelsschiffe, die gehetzt be- und entladen wurden, während ihre Kapitäne um die besten Preise feilschten und kleine Fischerboote, die nach einem langen Arbeitstag gemächlich auf die Anleger zupaddelten. Hinter den Hafengebäuden reckten sich die Türme und Herrenhäuser Saramees in den Himmel, buhlten um die Gunst des Sonnenlichts, das sich auf ihren – mal mehr, mal weniger – aufwändigen Verzierungen spiegelte. Der Hafenlärm übertönte noch alle anderen Geräusche der Stadt, Arbeiter schienen um die Wette zu brüllen und ihre Rufe wurden ebenso laut beantwortet. Masten knarrten bei jeder Bewegung der trägen Schiffe und Fahnen flatterten müde im schwachen Wind. Die Luft roch bereits weniger salzig und vermischte sich mit den Gerüchen der Stadt.
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 »Wäre nichtmal die schlechteste Wahl gewesen ... vorausgesetzt, Du teilst Deinen Schlafplatz gerne mit Nagern«, lachte er. »Entschuldigt, ich sollte weiter ...« »Wäre nichtmal die schlechteste Wahl gewesen ... vorausgesetzt, Du teilst Deinen Schlafplatz gerne mit Nagern«, lachte er. »Entschuldigt, ich sollte weiter ...«
  
-»Ah, verzeih, ich kam ins Reden. Warte! Ich kann und will Dir helfen«, beginnt er von Neuem. »Sieh, meine Zeit ist knapp bemessen. Ich bin ein Bote im Dienste des [[organisationen:stadtmeister|Stadtmeisters]]. Und er gab mir zwei Bündel, die ich ausliefern muss. Für den Lohn von zehn Bai.«+»Ah, verzeih, ich kam ins Reden. Warte! Ich kann und will Dir helfen«, beginnt er von Neuem. »Sieh, meine Zeit ist knapp bemessen. Ich bin ein Bote im Dienste des [[organisationen:stadtmeister|Stadtmeisters]]. Und er gab mir zwei Bündel, die ich ausliefern muss. Für den Lohn von zehn [[schauplätze:stadt_saramee:hintergrund|Bai]]
  
 »Das freut mich für Euch«, erwiderte ich und wandte mich zum Gehen, doch er hielt mich zurück. »Das freut mich für Euch«, erwiderte ich und wandte mich zum Gehen, doch er hielt mich zurück.
  
-»Nun, heute Abend habe ich aber die Möglichkeit ein gar wundervolles Mädchen zu treffen, deren Blüte sich gerade erst geöffnet hat. Wenn ich beide Bündel ausliefern muss, werde ich es aber nicht schaffen.«\\ +»Nun, heute Abend habe ich aber die Möglichkeit ein gar wundervolles Mädchen zu treffen, deren Blüte sich gerade erst geöffnet hat. Wenn ich beide Bündel ausliefern muss, werde ich es aber nicht schaffen.« 
-»Das klingt nach einem harten Schicksal.« Ich bemühte mich um einen abweisenden Ton, doch er fuhr ungerührt fort: »Wenn du mir ein Bündel abnehmen würdest, könnte ich mein Mädchen sehen. Und wir würden den Lohn gerecht teilen, immerhin haben wir beide etwas davon.«\\ + 
-»Und wer garantiert Euch, dass ich mich nicht mit dem Geld davonmache?«, fragte ich ihn misstrauisch.\\ +»Das klingt nach einem harten Schicksal.« Ich bemühte mich um einen abweisenden Ton, doch er fuhr ungerührt fort: »Wenn du mir ein Bündel abnehmen würdest, könnte ich mein Mädchen sehen. Und wir würden den Lohn gerecht teilen, immerhin haben wir beide etwas davon.« 
-»Natürlich bräuchte ich eine Art Pfand von dir«, lachte er zurück. »Etwas, bei dem ich sicher gehen kann, dass es von großem Wert für dich ist.«\\ + 
-»Ich habe nur diesen alten Kompass«, sagte ich und förderte ihn aus meiner Tasche. Eine kleine silberne Dose, in der ein Lilienförmiger Zeiger die Wichtung wies. »Er ist vermutlich nicht viel wert, kaum zwei Bai, aber mein Vater schenkte ihn mir. Er sagte, der Kompass würde mich nach Saramee führen.«\\ +»Und wer garantiert Euch, dass ich mich nicht mit dem Geld davonmache?«, fragte ich ihn misstrauisch. 
-»Das klingt genau richtig!«, sagte der Fremde freudig.\\ + 
-Ich zögerte noch einen Moment. Ich kannte den Mann kaum, sollte ich ihm tatsächlich meinen wertvollsten Schatz anvertrauen? Andererseits, der Kompass war nur für mich von Wert und der Fremde ging ein viel grlßeres Wagnis ein. Und von den versprochenen fünf Bai könnte ich eine lange Zeit leben, bis ich Arbeit fände. »Einverstanden.«\\+»Natürlich bräuchte ich eine Art Pfand von Dir«, lachte er zurück. »Etwas, bei dem ich sicher gehen kann, dass es von großem Wert für Dich ist.« 
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 +»Ich habe nur diesen alten Kompass«, sagte ich und förderte ihn aus meiner Tasche. Eine kleine silberne Dose, in der ein lilienförmiger Zeiger die Richtung wies. »Er ist vermutlich nicht viel wert, kaum zwei Bai, aber mein Vater schenkte ihn mir. Er sagte, der Kompass würde mich nach Saramee führen.« 
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 +»Das klingt genau richtig!«, sagte der Fremde freudig. 
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 +Ich zögerte noch einen Moment. Ich kannte den Mann kaum, sollte ich ihm tatsächlich meinen wertvollsten Schatz anvertrauen? Andererseits, der Kompass war nur für mich von Wert und der Fremde ging ein viel größeres Wagnis ein. Und von den versprochenen fünf Bai könnte ich eine lange Zeit leben, bis ich Arbeit fände.  
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 +»Einverstanden.«
  
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-»Gut, gut«, unterbricht mich der Richter. »Was geschah dann?«\\ +»Gut, gut«, unterbricht mich der Richter. »Was geschah dann?« 
-Ich versuche mich gerade aufzurichten, doch der Pranger verhindert es. »Ich nahm das Bündel und machte mich auf den Weg zum Hafen. Dort sollte ich das Bündel einem gewissen Ailun übergeben, der dort bei den Docks arbeitet. Er würde mir die fünf Bai zahlen.«\\ + 
-»Und Ihr hattet nicht einen Moment Zweifel an der Aufrichtigkeit dieses Fremden?«, unterbricht mich der Richter. »Nein«, antworte ich beschämt. »Ich war einfach nur überwältigt von seiner Freundlichkeit und dem Vertrauen, das er einem völlig Fremden entgegenbrachte.«\\ +Ich versuche mich gerade aufzurichten, doch der Pranger verhindert es. »Ich nahm das Bündel und machte mich auf den Weg zum Hafen. Dort sollte ich das Bündel einem gewissen Ailun übergeben, der dort bei den Docks arbeitet. Er würde mir die fünf Bai zahlen.« 
-Ein kehliges Lachen stiehlt sich aus dem Mund des Richters, das er mit einem vorgetäuschten Husten überspielen will. »Nun gut, Euer Geisteszustand steht hier nicht zur Verhandlung. Also, was geschah dann?«\\ + 
-»Am Hafen wurde ich bereits von den Männern der Stadtwache erwartet«, berichte ich. »Die nahmen mich wegen Verdacht auf Schmugglerei fest.«\\ +»Und Ihr hattet nicht einen Moment Zweifel an der Aufrichtigkeit dieses Fremden?«, unterbricht mich der Richter.  
-»Was ja auch zweifelsfrei bewiesen ist«, hakt der Richter ein. »In dem Bündel befanden sich gefälschte Zolldokumente, die man für die Einfuhr von Waren hätte nutzen können.«\\ + 
-»Das wusste ich aber nicht«, versuche ich zu erklären, doch der Richter wedelt nur aufgeregt mit der Hand.\\ +»Nein«, antworte ich beschämt. »Ich war einfach nur überwältigt von seiner Freundlichkeit und dem Vertrauen, das er einem völlig Fremden entgegenbrachte.« 
-»Wenn ich diese Ausrede immer glauben würde, wären unsere Gesetze allesamt unnötig!«\\ + 
-»Aber Ihr müsst mir glauben! Ich war erst an jenem Morgen in Saramee angekommen, ohne Geld oder Arbeit...«\\ +Ein kehliges Lachen stiehlt sich aus dem Mund des Richters, das er mit einem vorgetäuschten Husten überspielen will. »Nun gut, Euer Geisteszustand steht hier nicht zur Verhandlung. Also, was geschah dann?« 
-»Das ist ein ganz anderes Problem, dazu kommen wir noch!«, unterbricht mich der Richter schon wieder.\\ + 
-Ich spüre wie die Verzweiflung meine Füße umklammert, anwächst und mir langsam, eiskalt den Rücken empor kriecht. Man glaubt mir nicht – besser noch, man interessiert sich nicht für mich. Saramee ist gewaltig, riesig, ein schillernder Stern am Nachthimmel und ein sumpfiger Morast zugleich, begreife ich.\\ +»Am Hafen wurde ich bereits von den Männern der [[organisationen:stadtwache|Stadtwache]] erwartet«, berichte ich. »Die nahmen mich wegen Verdachts auf Schmugglerei fest.« 
-Die Stimme des Richters reißt mich in die Gegenwart zurück: »Ich bekenne Euch schuldig dem Schmuggel Vorschub leisten zu wollen. Ihr seid kein Bürger Saramees. Ich kann nicht feststellen, ob Ihr die Wahrheit sagt, auch wenn ich geneigt bin, Euch zu glauben. Unwissende Tölpel anzuheuern und ihnen schlecht gefälschte Dokumente zu verkaufen, ist gängige Praxis, versteht Ihr?«\\ + 
-»Nein«, sage ich und versuche dem Richter in die Augen zu blicken. »Ich habe die Dokumente auch nicht gekauft.«\\ +»Was ja auch zweifelsfrei bewiesen ist«, hakt der Richter ein. »In dem Bündel befanden sich gefälschte Zolldokumente, die man für die Einfuhr von Waren hätte nutzen können.« 
-»Ach, habt Ihr nicht? Und was ist mit diesem alten Kompass?«, erklärt der Richter. »Wer auch immer Euch dies Bündel gab, er hat sicherlich ein gutes Geschäft mit ihm gemacht.«\\ + 
-»Aber kann man dann nicht herausfinden, wer der Mann war?« Ich schöpfe bereits neue Hoffnung, als der Richter bloß gelangweilt den Kopf schüttelt.\\ +»Das wusste ich aber nicht«, versuche ich zu erklären, doch der Richter wedelt nur aufgeregt mit der Hand. »Wenn ich diese Ausrede immer glauben würde, wären unsere Gesetze allesamt unnötig!« 
-Wieder dieses kehlige Lachen: »Wie? Aufgrund eines anonymen Hinweises? Oder weil er den Kompass unter der Hand an einen Sammler verkauft? Der Aufwand wäre einfach ungerechtfertigt.« Er macht eine lange Pause und schüttelt langsam den Kopf. »Und all das für einen Mann, der mittellos hier hausen würde? Einen Mann, den ich vermutlich zweimal pro Woche vor mir hätte, weil er beim Betteln aufgegriffen wurde? Ich spreche Euch schuldig. Und zur Strafe werdet Ihr als Sklave verkauft, auf ein Schiff oder an einen Händler, das ist mir gleichgültig. Auf diese Weise könnt Ihr der Stadt noch einen Dienst tun und etwas von den Kosten, die dieser ganze Prozess verursacht begleichen.«\\ + 
-Ich will protestieren, doch niemand hört mehr zu. Die Wachen führen mich ab und stecken mich in einen Karren. Man zieht uns zum Hafen, wo wir den Kapitänen der Handelsschiffe präsentiert werden. Die vormals einladenden – ja geradezu verführerischen Gassen – wirken jetzt trostlos und bauen sich bedrohlich um mich herum auf. Häuserschluchten werden zu engen Gräben, als wir zum Hafen transportiert werden. Bald wird der Regen wieder einsetzen, und die drohende Nässe läuft mir bereits eiskalt den Rücken hinunter.\\ +»Aber Ihr müsst mir glauben! Ich war erst an jenem Morgen in Saramee angekommen, ohne Geld oder Arbeit ...« 
-»Den nehm’ ich«, ertönt eine vertraute Stimme und mein Herz macht – gegen meinen Willen – einen freudigen Sprung.\\ + 
-»Zwölf Bai«, sagt einer der Wachmänner.\\ +»Das ist ein ganz anderes Problem, dazu kommen wir noch!«, unterbricht mich der Richter schon wieder. 
-Ich werde aus dem Karren gezogen und vor dem Mann auf den Boden gestoßen. Man drückt ihm das Ende der um meinen Hals geschlungenen Kette in die Hand. »Gehen wir.«\\ + 
-Ich folge mit gesenktem Blick, fühle mich aber so glücklich, wie schon lange Zeit nicht mehr.\\ +Ich spüre wie die Verzweiflung meine Füße umklammert, anwächst und mir langsam, eiskalt den Rücken empor kriecht. Man glaubt mir nicht – besser noch, man interessiert sich nicht für mich. Saramee ist gewaltig, riesig, ein schillernder Stern am Nachthimmel und ein sumpfiger Morast zugleich, begreife ich. 
-An Bord des Schiffes nimmt er mir die Kette ab und bedenkt mich mit jenem unverwüstlichen Lachen, das mir seit meiner Ankunft in Saramee nicht mehr aus dem Kopf ging. »Du bist ganz schön auf die Schnauze gefallen, was, Junge?«\\ + 
-Ich kann Rejan nicht in die Augen blicken, bringe aber ein Nicken zustande.\\ +Die Stimme des Richters reißt mich in die Gegenwart zurück: »Ich bekenne Euch schuldigdem Schmuggel Vorschub leisten zu wollen. Ihr seid kein Bürger Saramees. Ich kann nicht feststellen, ob Ihr die Wahrheit sagt, auch wenn ich geneigt bin, Euch zu glauben. Unwissende Tölpel anzuheuern und ihnen schlecht gefälschte Dokumente zu verkaufen, ist gängige Praxis, versteht Ihr?« 
-»Fein. Von heute an arbeitest du für mich«, lacht er. »Die See wird einen Mann aus dir machen!«\\ + 
-»In Saramee kann jeder sein Glück finden«, pflegte mein Vater stets zu sagen. Lange Zeit habe ich ihm nicht geglaubt. Vier Monate fahre ich nun unter Kapitän Rejan zur See.\\ +»Nein«, sage ich und versuche dem Richter in die Augen zu blicken. »Ich habe die Dokumente auch nicht gekauft.« 
-Ich stehe vorn hinter der Bugspitze. Wasser und Gischt peitschen mir ins Gesicht, rauben mir den Atem.\\ + 
-Rejan steht am Steuerrad und lacht dem Sturm verächtlich entgegen. Ich fühle mich frei.\\ +»Ach, habt Ihr nicht? Und was ist mit diesem alten Kompass?«, erklärt der Richter. »Wer auch immer Euch dies Bündel gab, er hat sicherlich ein gutes Geschäft mit ihm gemacht.« 
-Und glücklich.\\ + 
-Der mächtige Bug der Yolanta zertrümmert die Wellen in seinem Weg und wir trotzen dem Sturm.\\+»Aber kann man dann nicht herausfinden, wer der Mann war?« Ich schöpfe bereits neue Hoffnung, als der Richter bloß gelangweilt den Kopf schüttelt. 
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 +Wieder dieses kehlige Lachen: »Wie? Aufgrund eines anonymen Hinweises? Oder weil er den Kompass unter der Hand an einen Sammler verkauft? Der Aufwand wäre einfach ungerechtfertigt.« Er macht eine lange Pause und schüttelt langsam den Kopf. »Und all das für einen Mann, der mittellos hier hausen würde? Einen Mann, den ich vermutlich zweimal pro Woche vor mir hätte, weil er beim Betteln aufgegriffen wurde? Ich spreche Euch schuldig. Und zur Strafe werdet Ihr als Sklave verkauft, auf ein Schiff oder an einen Händler, das ist mir gleichgültig. Auf diese Weise könnt Ihr der Stadt noch einen Dienst tun und etwas von den Kosten, die dieser ganze Prozess verursachtbegleichen.« 
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 +Ich will protestieren, doch niemand hört mehr zu. Die Wachen führen mich ab und stecken mich in einen Karren. Man zieht uns zum Hafen, wo wir den Kapitänen der Handelsschiffe präsentiert werden. Die vormals einladenden – ja geradezu verführerischen Gassen – wirken jetzt trostlos und bauen sich bedrohlich um mich herum auf. Häuserschluchten werden zu engen Gräben, als wir zum Hafen transportiert werden. Bald wird der Regen wieder einsetzen, und die drohende Nässe läuft mir bereits eiskalt den Rücken hinunter. 
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 +»Den nehm ich«, ertönt eine vertraute Stimme und mein Herz macht – gegen meinen Willen – einen freudigen Sprung. 
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 +»Zwölf Bai«, sagt einer der Wachmänner. 
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 +Ich werde aus dem Karren gezogen und vor dem Mann auf den Boden gestoßen. Man drückt ihm das Ende der um meinen Hals geschlungenen Kette in die Hand. »Gehen wir.« 
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 +Ich folge mit gesenktem Blick, fühle mich aber so glücklich, wie schon lange Zeit nicht mehr. 
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 +An Bord des Schiffes nimmt er mir die Kette ab und bedenkt mich mit jenem unverwüstlichen Lachen, das mir seit meiner Ankunft in Saramee nicht mehr aus dem Kopf ging. »Du bist ganz schön auf die Schnauze gefallen, was, Junge?« 
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 +Ich kann Rejan nicht in die Augen blicken, bringe aber ein Nicken zustande. 
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 +»Fein. Von heute an arbeitest Du für mich«, lacht er. »Die See wird einen Mann aus Dir machen!« 
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 +»In Saramee kann jeder sein Glück finden«, pflegte mein Vater stets zu sagen. Lange Zeit habe ich ihm nicht geglaubt. Vier Monate fahre ich nun unter Kapitän Rejan zur See. 
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 +Ich stehe vorn hinter der Bugspitze. Wasser und Gischt peitschen mir ins Gesicht, rauben mir den Atem. 
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 +Rejan steht am Steuerrad und lacht dem Sturm verächtlich entgegen. Ich fühle mich frei. 
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 +Und glücklich. 
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 +Der mächtige Bug der Yolanta zertrümmert die Wellen in seinem Weg und wir trotzen dem Sturm. 
 »Danke, Saramee«, flüstere ich aufs Meer hinaus, »dass du mir gezeigt hast, woran mein Herz hängt.« »Danke, Saramee«, flüstere ich aufs Meer hinaus, »dass du mir gezeigt hast, woran mein Herz hängt.«
  
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taverne/kurzgeschichten/das_glück_saramees.1335522662.txt.gz · Zuletzt geändert: 05.03.2016 21:07 (Externe Bearbeitung)