Orks vs Zwerge (Autor: T. S. Orgel)
 
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Orks vs Zwerge von T. S. Orgel

Rezension von Oliver Kotowski

 

Rezension:

Die Stadt Derok liegt strategisch sehr günstig: Sie kann die Nachschubswege zwischen Norden und Süden sperren. Die Stadt ist der Schild der Zwergenstädte des Südens vor den Orkhorden des Nordens. Nun wollen die Orks nicht nur den Süden plündern, sie haben auch ein langes Gedächtnis: Derok war einst Stammesgebiet der Orks. Es ist Zeit, das was einst den stolzen Kriegern gehörte, zurückzunehmen. So haben sich die vereinten Stämme der Orks unter dem Kriegsherren Rogoru vor der Stadt versammelt, um sie im Sturm zu nehmen und dann den reifen Süden zu pflücken. Krendar, der vor seiner ersten Schlacht steht, ist indes nicht so zuversichtlich, als seine Leute im ersten Ansturm niedergemetzelt werden. Planlos irrt er durch die fallende Stadt, trifft auf andere Orks, Zwerge und Menschen, bis er herausfindet, was seine Aufgabe ist. Auch der Zwerg Glond steht vor seiner ersten Schlacht – doch statt sich mit seinen Kameraden niedermetzeln zu lassen, flieht er. Als Fahnenflüchtigen erwartet ihn die Hinrichtung – doch General Variscit schickt ihn stattdessen mit fünf Helden auf eine Selbstmordmission in die Stadt – welche Wahl bleibt Glond?

 

Orks vs Zwerge bleibt vielfach sehr vage, was besonders beim Setting ins Auge fällt. Die Kulturen der Zwerge und Orks, geschweige denn der Menschen, werden kaum konkretisiert. Die Zwerge sind handwerklich fortschrittlich, physisch wie psychisch wenig mobil. Sie bauen großartige Steinhäuser und Brücken, haben starke Rüstungen und kämpfen in enger Formation. Sie haben Katapulte und Armbrüste, die sie gerne verwenden. Sie kämpfen für Ruhm, Ehre oder Bier. Die Orks sind wild, eher primitiv – sie tragen selten Rüstungen, sieht man von den Schwarzorks ab, zu denen auch Rogoru gehört. Sie verwenden grobe Nahkampfwaffen, die unter Belastung zerbrechen. Doch sie haben auch gewisse Ehrvorstellungen, die manche strenger, manche weniger streng vertreten – sie neigen ein wenig zur pragmatischen Auslegung dieser Vorstellungen. Insgesamt werden Machtpositionen eher nach Kampfkraft vergeben, doch eine Szene deutet an, dass bei den oberen Rängen politisches Taktieren ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Die Orks kämpfen für Rache, Beutegier und Ruhm. So weit sind es die Kernbeschreibungen der Warhammer-Völker. Tatsächlich gehen die Darstellungen nicht wesentlich über das hier gesagte hinaus – sie bleiben damit selbst hinter den Armeebüchern des Tabletops zurück.

Das Setting ist ein (für mich) überraschend schwach entwickeltes Ambiente – es wirkt ein wenig wie aus einem der generischen Rollenspielbücher (z. B. GURPS).

 

Diese Tendenz setzt sich bei den Figuren fort. Das Dramatis Personae besteht aus neununddreißig Einträgen. Nun werden manche Figuren bloß erwähnt, andere treten bloß in einer Szene auf, doch selbst wenn man diese wegstreicht, bleiben noch etwa zwei Dutzend relevante Figuren. Kaum verwunderlich, dass die Charakterisierungen nur selten über die Beschreibung im Dramatis Personae hinausreichen: „Die Korrach – ‚Der Rechte’ und ‚Der Linke’ sind Bergork-Zwillinge, die sich zum Verwechseln ähneln. Ein Umstand, den sie … kultiviert haben.“ Die Beiden spielen als Randfiguren durchaus das ganze Buch hindurch eine Rolle, doch mehr ist eigentlich nicht zu ihnen zu sagen. Das wiegt meines Erachtens bei den Orks weniger schwer als bei den Zwergen, deren Heldentruppe auch kaum mehr charakterisiert wird: Da ist die Edle Syen, eine Zwergenkriegerin, die gerne Anführerin ist, aber nicht richtig akzeptiert wird; Kearn Einauge, der starrsinnige Krieger, der Unkonventionelles verabscheut, Beryll, der mächtige Klankrieger, der ein mächtiger Klankrieger ist (Punkt.); Esse, ein alternder Armbrustschütze, der nachdenklich geworden ist und Stein, der ein besonderes Verständnis von den Elementen hat. Hier werden tiefe Zerwürfnisse angedeutet, die aber konkret kaum über hohle Widerworte hinaus gehen. Ein wenig weiter ausgeführt wird Glond, der sein Leben nicht in der Schlacht opfern wollte und nun eine zweite Chance erhält. Er ist kein „Trollslayer“, sondern ein Zwerg, der gerne sowohl sein Überleben als auch seinen Anstand bewahren will. Dazu ist er bereit, neue Wege einzuschlagen. Ähnlich ist auf der Orkseite die Situation durch innere Spannungen sehr angespannt: Der Kriegsherr Rogoru will weit in den Süden vordringen, was Drangog, der Herr der Weststämme für zum Scheitern verurteilt hält – ihm reicht es, die Stadt nördlich des Flusses zu nehmen. Allerdings will sein Untergebener Gorotak über den Fluss, denn der Heißsporn ist auf Ruhm und Beute aus. Um ein Ausscheren zu verhindern, setzt Drangog heimlich Gorotaks Intimfeind Ragroth, einen alten und gerissenen Krieger auf ihn an. Der junge Krieger Krendar wird in diesen Konflikt hineingezogen.

Die Figuren sind eher flache, kaum ausgeführte Typen, die vielleicht einen Dreh bekommen; selbst die wichtigeren und unkonventionelleren Figuren wie Glond und Krendar werden nur skizziert. Dabei ist die Typenhaftigkeit ist nicht unbedingt schlecht: Gorotak wie Kearn sind durchaus überzeugend. Dennoch hätten auch sie konkreter charakterisiert werden können.

 

Der Plot ist ebenfalls ziemlich unklar, allerdings auf anderer Ebene – es ist einfach schwer zu erkennen, wohin diese Geschichte gehen soll. Da ist einerseits das gesamte Szenario: Die Orks sind dabei eine wichtige Zwergenstadt zu erobern. Das könnte man als Rivalität zwischen den Feldherren oder als Sittengemälde angehen. Doch dazu müssten entweder die Feldherren zu den Protagonisten gehören oder die Befindlichkeiten des Fußvolks thematisiert werden. Ersteres ist nicht der Fall und Letzteres nur sehr begrenzt. Dann ist da die Queste der Zwergenheldentruppe. Quasi wie ein Kommandounternehmen müssen sie durch die Orkreihen schlüpfen, zum Tempel vordringen, ihren Quest-McGuffin bergen und zurückbringen. Doch die Anteile dieses Plots nehmen nur relativ wenig Raum ein – grob geschätzt, nicht einmal ein Viertel. Sie werden immer wieder von Momenten des Bildungsromans (mit Glond als Protagonisten) und der Rivalität (vor allem zwischen Syen und Kearn) unterbrochen. Ähnliches gilt für die Orkseite. Da ist Gorotaks Jagd nach Ruhm und Beute, Ragroths Geheimauftrag und Krendars Entwicklungsgeschichte.

Es ist, kurz gesagt, ein ziemlicher Wust, der nicht immer gut zusammen geht. Damit gehen einige Schwierigkeiten einher. Gelegentlich bremsen sich die Handlungsstränge aus, zumal sie lange Zeit nebeneinander herlaufen. Zudem kommen die Plots nur sehr langsam ins Rollen – erst nach etwa hundert Seiten wird erkennbar, dass da mehr als bloßes Gemetzel ist. Apropos Gemetzel: Das wird seltsam harmlos beschrieben. Zwar gibt es gelegentlich konkrete Beschreibungen von Verstümmelungen und Sterben, doch irgendwie ist es blutarm und mit allerlei Pathos getränkt – die Helden treten die letzte Reise an, um ihren wohl verdienten Platz bei den Ahnen einzunehmen. Außerdem nehmen vermeintlich komische Wortgeplänkel (Orks im Aufbau einer Action-Szene: „Vier Gepanzerte mit irgendwelchen Wagen – das ist verdammt viel, wenn ihr mich fragt.“ – „Warum sollten wir das tun? […] Wir fragen ja auch nicht meine Stiefel nach ihrer Meinung.“ usw.) einiges an Schwung und Schärfe. Auch über gewisse Implikationen kann man ins Grübeln geraten: So deutet die Geschichte einmal an, dass zwei Menschenfrauen von einer Orkbande erst vergewaltigt und dann getötet werden (so etwas passiert im Krieg), nur um kurz darauf gemeinsam mit den Orks einen Teilsieg zu feiern.

Ich will aber auch in paar Details loben. So gefällt mir die Idee gut, die ganze Geschichte in einer fallenden Stadt anzusiedeln – das scheint mir einigermaßen originell zu sein. Hinzu kommen einige überraschende Wendungen, die gut vorbereitet und ausgeführt werden. Zuletzt sind beim Plot die Spiegelungen zu erwähnen: Neben den offensichtlichen Spiegelungen bei Orks und Zwergen (Krendar = Glond, Kearn = Gorotak usw.) spiegelt sich weniger offensichtlich auch das Große im Kleinen: Etwa wenn die Zwergenhelden von Orks in einem Gebäude belagert werden, dass sich in einer belagerten Stadt befindet.

 

Die Erzähltechnik ist dagegen eher konservativ. Es gibt zahlreiche Handlungsstränge, die langsam zusammenlaufen und nach dem Höhepunkt wieder auseinanderlaufen – soweit die Protagonisten des jeweiligen Handlungsstranges nicht zu den Ahnen gegangen sind. Die Handlungsstränge selbst werden aus personaler Perspektive, zumeist des jeweiligen Protagonisten erzählt, sind von wenigen Rückgriffen (zumeist erläuternde Figurenrede) abgesehen progressiv und dramatisch. In diesem Zusammenhang verwundert die seltsame Vagheit beim Setting besonders – die Autoren folgen klar dem dictum „Show, not tell“, aber sie zweigen überraschend wenig.

Die Sätze sind stets gradlinig und von einer gewissen Schlichtheit. Sie sind dabei zumeist mittellang, Action-Szenen neigen sie dazu, etwas kürzer zu sein. Bei der Wortwahl zielt man auf geläufige Wörter des Deutschen ab, wobei die Figurenrede, besonders der Orks, mit weniger anstößigem Vulgärvokabular gespickt ist: „Scheißer“ und „Wichser“ tauchen sehr häufig auf, „Fotze“ oder „Schwanz“ dagegen kein einziges Mal.

Insgesamt streben die Autoren bei der Erzähltechnik wohl eine eher leichte Zugänglichkeit an.

 

Fazit:

Die vereinten Orkhorden wollen das alte Stammesland zurückerobern, das die Zwerge als ihres betrachten – die Stadt Derok ist der strategische Schlüssel zum Feldzug der Orks. Doch innerhalb der beiden Parteien knistert es vor internen Spannungen – ist man dem Kriegsherrn der Orks oder dem Herrn des westlichen Stämme gegenüber loyal – oder sind Ruhm und Beute wichtiger als alles andere? Ebenso bei den Zwergen: Soll man an den alten Wegen starrsinnig festhalten, auch wenn sie wenig Aussicht auf Erfolg haben – oder etwas Neues ausprobieren, auch wenn es ehrlos scheint?

Mit Orks vs Zwerge haben die Gebrüder Orgel ein komplexes Bündel von Handlungssträngen um die fallende Stadt Derok vorgelegt. Leider mit gemischten Erfolg: Zu oft bremsen belanglose Dialoge und nicht immer zusammengehende Handlungsstränge die im Kern spannende Geschichte aus. Statt noch einen Strang und noch einen Strang, hätte man sich besser auf den schönen Kern konzentriert und diesen weiter ausgefeilt. So bleibt ein durchwachsener Debütroman, der wohl am ehesten Warhammer-Spielern gefallen wird, die noch etwas leichte Lektüre suchen.

 

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Buch:

Orks vs Zwerge

Autor: T. S. Orgel

Umschlag: Alexander Tooth

Heyne Verlag, Oktober 2012

Taschenbuch, 544 Seiten

 

ISBN-10: 3453314042

ISBN-13: 978-3453314047

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 08.11.2012, zuletzt aktualisiert: 27.10.2023 15:38, 12821