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Kolumne: Glashaus

Autor: Holger M. Pohl

 

Manchmal sitzt man in einem Glashaus und wirft mit Steinen. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich sitze oft genug in einem solchen und werfe dann mit Steinen um mich. Doch der Unterschied zu anderen ist vielleicht der, dass ich weiß, dass ich das tue. Die anderen wissen es oft nicht (und würden es auch vehement verneinen) … werfen aber trotzdem. Anders gesagt und frei nach Sokrates: Ich weiß, dass ich manchmal werfe und weiß damit mehr, als der der nicht weiß, dass er wirft, aber trotzdem wirft.

Es ist für mich ein königliches Amüsement, den anderen beim Werfen zuzusehen.

 

Wenn also ein Rezensent … OK, ich streiche das Wort Rezensent und ersetze es durch Majestät … wenn also Ihre Majestät einem Übersetzer und dazu mehr oder weniger gleich noch dem Verlag mangelndes Verhältnis zur deutschen Sprache vorwirft, zugleich aber selbst Stilblüten, Grammatik- und Rechtschreibfehler produziert, die augenfällig sind (in nahezu jeder seiner so genannten Rezensionen), dann wirft Ihre königliche Hoheit selbst mit Steinen in ihrem Glashaus … und zwar mit ziemlich amüsanten Steinen. Manchmal möchte man dann weinen … aber das Lachen siegt am Ende doch.

Einem Verlag darüber hinaus mangelndes Lektorat vorzuwerfen, gleichzeitig aber selbst die eigene, so genannte Rezension nicht sorgfältig zu überarbeiten (und dazu noch völlig überflüssige Zeichen irgendwo unterzubringen), lässt dann endgültig nur einen Schluss zu: da weiß jemand nicht, dass er im Glashaus sitzt.

 

Man könnte mit dem Einwand kommen, als sei ich der Meinung Rezensionen seien überflüssig oder zumindest nicht sehr hilfreich. Falsch, dieser Meinung bin ich nicht! Im Gegenteil: Rezensionen, gute Rezensionen, sind eine wichtige Entscheidungshilfe beim Kauf eines Buches.

Die Betonung liegt dabei allerdings auf gut. Eine Rezension ist für mich dann gut, wenn ein fairer, ehrlicher, offener, sachlicher usw. Umgang mit dem Objekt der Rezension stattfindet. Dabei darf die eigene Meinung durchaus einfließen. Muss sogar einfließen.

Was aber nicht einfließen sollte, sind persönliche, spöttische, ironische usw. Angriffe gegen Autor, Übersetzer und/oder Verlag. Das sieht so verdammt nach nachkarten aus, weil noch eine Rechnung offen ist. „Nun kann ich denen mal eines auswischen …“

Frustabbau nennt man so etwas … und hat in einer Rezension nichts verloren.

Doch wie gesagt: wer im Glashaus sitzt, wirft gerne mit Steinen. Solange bis das Glas bricht.

 

Alles, was man mit einer solchen Rezension – oder sollten wir es besser Frustschreibe nennen? – erreicht, ist, dass das Volk, sprich die Leser der Rezension, sich nicht für das Objekt der Rezension interessiert, sondern für die Art und Weise wie die Auseinandersetzung damit erfolgt. Das Volk freut sich dann schon auf die nächste Schreibe … völlig egal, worum es dabei geht, Hauptsache das Amüsement ist königlich.

 

Glaubt Ihr nicht? Ist aber so! Es gibt unzählige – und qualitativ erheblich bessere – Beispiele aus Film, Funk, Fernsehen und Literatur im realen Leben, bei denen die Sache, um die es geht, völlig irrelevant ist, aber die Rezension oder Kritik als solche, in der Art ihrer Ausführung, Jubelstürme herbeiruft. Ich freute mich zum Beispiel immer auf die Filmbesprechungen eines Peter K. bei dem damaligen SDR3. Seine Verrisse waren wunderbar. In aller Regel an der Sache vorbei, aber einfach schön anzuhören. Oder Herr Marcel R.-R. … der heimliche Star der deutschen Comedy-Szene. Nur am Rande vermerkt: die verstanden aber wenigstens etwas von ihrem Handwerk.

 

Was Ihre Majestät also erreicht, ist eines: man liest ihre so genannten Rezensionen wegen der Art, in der sie geschrieben wurden. Nicht wegen des Objekts, um das es angeblich gehen soll.

Solche Rezensionen sind dann in der Tat überflüssig. So wie manche Monarchien auch und keiner braucht einen König.

So, und nun gehe ich weiter mit Steinen werfen …

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240329121519ee2871d4

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, zuletzt aktualisiert: 26.06.2022 18:51