Die Zukunft des Mars (Autor: Georg Klein)
 
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Die Zukunft des Mars von Georg Klein

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Die Mars-Kolonisten brauchen keine Atemgeräte mehr. Der Kontakt zur Mutterzivilisation und ihrer einstigen Hochtechnologie ist längst abgerissen. Sie, die Nachfahren der ersten Siedler, leben in einer kargen, analphabetischen Kultur von eigentümlicher Schönheit. Aber ganz ist die Schrift nicht verloren: ein junger Hilfsarzt studiert die als unlesbar geltenden heiligen Bücher des Sonnenhauses, beginnt gar, die leeren letzten Blätter mit eigenen Beobachtungen zu füllen. Er tut es heimlich, gegen jedes Gebot – während eine rätselhafte Wesenheit aus den Tiefen des Marsgesteins heraufdrängt an die Oberfläche des Planeten. Auf der Erde, im Freigebiet Germania, am Westrand der chinesischen Protektorate, hat der alte Spirthoffer sein »Elektronisches Hospital« eröffnet. Er scheint alle Geräte, die den Großen Winter überdauert haben, reparieren zu können. Der freundliche Greis heuert die sibirische Zuwanderin Elussa an, angeblich um seine Russisch-Kenntnisse aufzufrischen. Elussas kleine Tochter Alide schließt den Tüftler sofort ins Herz. Mutter und Tochter ahnen nicht, wie weit der alte Mann tatsächlich in die Zukunft plant. Ein Roman über den Zauber der Zukünftigkeit, der dem Lesen und Schreiben innewohnt, dem Erzählen und der Sprache.

 

Rezension:

Das Wesen vieler postapokalyptischer Romane ist depressiv. Die Zerstörung der bekannten Welt stürzt Staat und Privatperson in eine zivilisatorische Krise, das Überleben ist hart, der Umgang brutal, die Zerstörung setzt sich immer weiter fort.

Georg Klein nutzt seinen ersten Ausflug in die Science-Fiction, um aufzubauen. Die schlimmen Zeiten sind vorbei.

 

Im ersten Teil des Romans erfahren wir aus den Berichten eines Marskolonisten vom Leben auf dem Mars. Er schreibt seinen Bericht an die Erde auf die freien Blätter Heiliger Bücher. Lesen und Schreiben sind keine Fähigkeiten, die weit verbreitet sind. Vielmehr werden die Tätigkeiten der Kolonisten stark von den Notwendigkeiten bestimmt. Die Versorgung mit Nahrung und Rohstoffen hat höchste Priorität. Dennoch gibt es Begabungen, die zu ganz neuen Dingen und Bedürfnissen führen, das Entdecken und Erforschen ist in der Kommunen-artigen Gesellschaft integriert. So entdeckt Porrporr nicht nur das Lesen für sich, er experimentiert auch solange herum, bis er zufriedenstellende Tinte herstellen kann.

Ähnlich gehen auch die anderen Teams vor. Von Glas über Heilsalben bis hin zu Funkgeräten finden die Marsbewohner Möglichkeiten, ihr Leben zu verbessern. Eine wesentliche Grundlage ist Mockmock, ein Marslebewesen, dessen Lebenszyklus von steinartigen Samenkapseln, über pilzartige Geflechte bis hin zu beweglichen Halbkugeln reicht und aus dem die Marsbewohner eine ganze Menge nützliche Dinge, wie auch Nahrung, herstellen.

Klein lässt den Leser durch die Geschichten Porrporrs am Leben auf dem Mars teilhaben. Es gibt Rückblenden, Kindheitserinnerungen und Darstellungen der wichtigsten Mars-Persönlichkeiten. Wir erfahren zudem, dass immer mal wieder Besuch von der Erde eintrifft, leider starben sie bisher alle.

 

Schnitt. Der zweite Teil spielt auf der Erde. Einige Jahre in der Zukunft von uns aus gesehen, aber parallel zur Marshandlung. Ein Vulkanausbruch in den USA führte zu klimatischen Veränderungen, eine Seuche, von Terroristen in Umlauf gebracht, zerstörte das Staatengefüge. Wir finden uns wieder in Germania, einer ehemaligen Großstadt, politisch in drei Oligarchien aufgeteilt. Die anfängliche Anarchie ist vorbei. Es gibt Geld, Eurorubel, und stundenweise Strom, wenn man sich dieses Licht aus der Steckdose leisten kann.

Elussa ist Lehrerin im Gebiet des Don und lebt mit ihrer Tochter Alide in einer winzigkleinen Wohnung. Die Suche nach einem Nebenjob als Sprachlehrerin führt sie zum alten Elektronikbastler Spirthoffer, der nicht nur Mars-Spielzeugroboter im Schaufenster stehen hat, sondern auch ab und zu für den Don arbeitet. Aber da gibt es noch weitere Dinge, die er heimlich betreibt …

 

Es ist nicht leicht zu beschreiben, was das Besondere an Georg Kleins Marsroman ist. Mit bezaubernder Leichtigkeit beschreibt er den Alltag seiner Figuren. Er springt locker zwischen ihnen hin und her und zeichnet mit wenigen Szenen ein buntes und farbenprächtiges Bild seiner Schauplätze. Nach und nach entfaltet sich der geschichtliche Hintergrund, quasi im Vorübergehen werden die Katastrophen auf den Leser losgelassen. Es gibt keine übertriebene Gewalt und dennoch wirken die beschriebenen Lebensumstände realistisch.

Allerdings nur bis zu dem Punkt, an dem man näher über die vielen glücklichen Umstände im Roman nachdenkt. Dann erscheint die Handlung doch sehr idealisiert. So schön und nett sich das alles auch liest und man froh ist, dass den Hauptfiguren nichts wirklich Böses geschieht, beschleicht einem doch immer wieder das Gefühl, dass alles zu glatt läuft.

Besonders der Oligarch Don Dorokin ist ein superduper Gutmensch. Der tolle Führer in der Not, der mit strenger Hand das Gute schafft. Völlig selbstlos natürlich. Ein Herrscher-Ideal, das die positive Grundeinstellung Kleins verdeutlicht.

Nicht von ungefähr drängen sich Vergleiche mit ähnlichen Vaterfiguren auf. Gerade die sowjetische Raumfahrt spielt im Hintergrundkontext des Romans eine große Rolle, auf den russischen Kern reduziert natürlich. Auch diese Verklärung russischer Eigenschaften passt zum überschwänglichen Optimismus, der aus den Seiten quillt.

 

Und vielleicht liegt in diesem Willen zum Optimismus auch das Problem des Romans. Genau in dem Moment, wenn Mars und Erde zu einander finden, es also notwendigerweise zu Konflikten kommen müsste, endet der Roman. Klein baut eine mehrspurige Autobahn ins Nichts. Als scheute er den Einbruch der Realität in seine schöne Fantasy-Welt. Und das ist wirklich schade.

 

Dem erfahrenen SF-Leser wird ein weiterer Mangel auffallen. Klein macht sich gar nicht erst die Mühe, seine technologischen und biologischen Prämissen zu erklären. Weder Freund Mockmock noch der Weltentransfer werden plausibel erklärt. Das könnte man durchaus ignorieren, wenn der Roman nicht so überdeutlich um diese beiden Ideen kreisen würde.

Wo ein SF-Roman erst richtig losgeht, bricht Klein ab. Man kann es damit zu erklären suchen, dass es um eine Art kindliche Zukunftsschau ginge, um den träumenden Blick in die klare Sternennacht, wenn man wie Alide in Gedanken eine Rakete besteigt und zu Abenteuern aufbricht, die so fremd sind, dass man sie sich gar nicht erträumen kann. So bleibt es halt beim Start des Raumschiffs.

 

Trotz dieser Kritik muss man es einfach noch einmal betonen: »Die Zukunft des Mars« von Georg Klein ist ein schöner Roman. Der Rowohlt-Verlag fand mit der Einbandgestaltung von Lisa Neuhalfen, die eine Zeichnung von Anke Feuchtenberger integrierte, eine so prächtige und nostalgisch angehauchte Aufmachung, dass man dieses Buch einfach gern zur Hand nimmt. Das leuchtende Orange des Buchschnitts, metallic-orange in der Schrift und ein klassisches Blaugrün fesseln den Blick.

Und Kleins liebevolle Welten umarmen einen bis zum Schluss.

 

Fazit:

»Die Zukunft des Mars« von Georg Klein ist ein schöner Roman. Stilistisch gefällig und herrlich retro, bezaubert Klein mit klassisch anmutender Science-Fiction, scheut aber die großen Konflikte, sodass man sich zwar über die kuschelige Atmosphäre des Romans freut, ihr aber nicht zu trauen vermag. Als fehlte das dicke Ende nur.

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Buch:

Die Zukunft des Mars

Autor: Georg Klein

gebunden, 377 Seiten

Rowohlt, 30. August 2013

Einband: Lisa Neuhalfen

Titelbild: Anke Feuchtenberger

 

ISBN-10: 3498035347

ISBN-13: 978-3498035341

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B00DYR00O2

 

Erhältlich bei: Amazon

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024032902123644193370
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Erstellt: 30.09.2013, zuletzt aktualisiert: 10.03.2024 18:58, 13275