Die Wanderdüne (Autor: Felix Woitkowski)
 
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Die Wanderdüne von Felix Woitkowski

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Eigentlich wollte Jonathan nur seinen heißgeliebten Rummel besuchen. Doch während er die Vorstellung in einem alten Zelt genießt, verwischt die Welt. Gerüche, Geräusche, Gesichter verschwinden. Plötzlich findet er sich im Strudel ungebändigter Gewalten wieder. Als die Illusion endet, verlässt Jonathan erleichtert das Zelt – und wird zum Gefangenen der Stadt, im Joch der Wanderdüne. Auf der Suche nach einem Ausweg dringt Jonathan immer tiefer in das sich stetig verändernde Straßengewirr der Stadt ein, die von einer unüberwindlichen Mauer geteilt wird. Er trifft auf puppenhafte, menschliche Wesen – hohl abweisend, einem geheimen Ruf folgend. Ein einziges Buch, das Gustav Samuel vor Jahren verfasste und danach verschwand, erzählt Jonathan die Geschichte der Stadt. Weder Vergangenheit noch Zukunft berühren sie – und doch bedeutet sie sowohl Leben als auch Tod für ihre Bewohner. Aber weshalb hat es ausgerechnet ihn in diese albtraumhafte Agonie gezogen?

 

Rezension:

Die Welt als magischer Spiegel innerer Landschaften zu verstehen und in ihr Teile der eigenen Gedanken zum Leben erwecken, ist eine Fassette der Phantastik. Felix Woitkowski begibt sich in seinem Debüt Die Wanderdüne auf die Pfade großer Stoffe. Da findet sich die Stadt als Brennpunkt menschlicher Energie, als Schmelztiegel seiner Bedürfnisse und auch als Quell seiner Vereinsamung und Stagnation. Der Sand als Symbol der Zeit, als feingemahlene Berge, Gebirge, ja als Abrieb der Erde selbst. Materie, die selbst in Bewegung ist, sich vorwärts schiebt und auf die Menschen trifft, auf ihr Treiben, Wirken und Scheitern. Aus Sand und Stein werden Häuser und Mauern. Assimiliert und aufgetürmt zu einer eigenen wandernden Düne. Im Innern die Menschen. Am Krabbeln, am Ertrinken und Begreifenwollen. Und vielleicht noch am Leben.

 

Philosophisch stark aufgeladen ist dieser Roman. Dennoch bietet er auch eine Reihe von Erzählebenen. So beginnt er mit Jonathan Harena, der auf einem Rummel in ein geheimnisvolles Zelt geht und in eine Stadt zurückkehrt, die nicht mehr die seine ist. Es folgt eine kafkaeske Suche nach Bekanntem, nach einem Sinn. Immer offenbarer wird, dass die Bewohner, auf die er trifft, seltsam erstarrt sind und Fragen mit Unverständnis und gar Gewalt beantworten. Dieser Teil des Romans fordert dem Leser einiges an Durchhaltevermögen ab, da schnell klar wird, dass nicht Handlung der Ziel es Lesens ist, sondern das Hinterfragen der eigenen Welt, des eigenen Lebens. Ähnlich wie Hal Duncan in Vellum, reißt auch Felix Woitkowski einen Schleier von der Lektüre indem er einen Text im Text zu Wort kommen lässt: Gustav Samuels Buchfragment »Geschichte von Stadt«. Die als Forschungsberichte verfasste Chronik zitiert diverse Legenden und Märchen und verweist ebenfalls darauf, dass die Bewohner von Stadt über ihre Geschichte nicht reden wollen. Verdrängung als Schutz, als Lebensgrundlage und als Ursache des schleichenden Verfalls, der der Stagnation folgt.

Während wir den Autor in seinem Buchfragment als neugierigen und eifrigen Forscher erleben, präsentiert er sich später in einem Interview enttäuscht und desillusioniert. Mit dem Alter ist die Neugierde verschwunden.

Und wieder dreht Felix Woitkowski an der literarischen Schraube und schickt mit der Tochter Lina Samuel eine neue Protagonistin durch die Stadt. Sie ist eine Überlebende, die durch ihre Suche nach dem verschollenen Vater aus ihrer Welt ausbricht. Getrieben vom Untergang und direkter Gewalt, gelingt es ihr, die Mauer zu queren, die ihren Alltag und ihren Stadtteil bisher begrenzte. Der Schlüssel durch das Tor ist, wie symbolträchtig - die Liebe.

Auf der anderen Seite erwartet sie ein verschwommener Anfang. Ähnlich der scheinbaren Erlösung durch das Spiegelduell im ersten Teil.

Felix Woitkowski bietet schlussendlich nur ein mögliches Ende der Parabel an. Ob sich die Figuren aus der Wanderdüne befreien können, oder die Düne von den Menschen, der letzte Triumph gehört einem Mann, der der Jubelschrei Archimedes auf den Lippen trägt: Heureka!

 

Fazit:

Ein schmales Bändchen, dessen Textmenge sich beim Lesen vermehrt, hat Felix Woitkowski hier im Wunderwaldverlag veröffentlicht. Phantastik in bester Tradition und ein Versprechen auf weitere, so erstaunliche Texte aus der Hand des jungen Autoren.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024032906571009867088
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Buch:

Die Wanderdüne

Autor: Felix Woitkowski

Wunderwaldverlag, 15. März 2011

Taschenbuch, 161 Seiten

 

ISBN-10: 3940582484

ISBN-13: 978-3940582485

 

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 23.07.2011, zuletzt aktualisiert: 27.02.2024 17:30, 11984